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29. März 2017: Wolff-Hertwig im Interview

Rodung Stillfssel IMit Enttäuschung wurde das Interview mit Dr. Marie-Luise Wolff-Hertwig, Vorstandvorsitzende des Entega-Konzerns, bei den Bürgerinitiativen aufgenommen. Das Interview belegt zum wiederholten Male wie weit sich TOP-Manager und Politiker von der Basis und den vorherrschenden Realitäten entfernt haben. Dies gestaltet eine seriöse Auseinandersetzung zunehmend schwerer. Wolff-Hertwigs zentrale Botschaft "Müssen uns der Verantwortung stellen" ist nach Ansicht der BI der Versuch, wirtschaftliche Interessen des Entega-Konzern unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Klimaschutzes zu vertuschen. Mit ihrem Hinweis auf die katastrophalen Auswirkungen von Atomenergie und Kohle auf die Umwelt startet sie zudem den Versuch, die lokale Windkraft als alternativloses Allheilmittel für das Gelingen der Energiewende zu positionieren. Dass dies vor dem Hintergrund von bereits rund 27.000 installierten Windrädern in Deutschland und deren flatterhafte Energieausbeute so nicht funktionieren kann, sollte zwischenzeitlich auch in höheren Management-Etagen von Energieunternehmen angekommen sein. Fakt ist vielmehr, dass der Ausbau der Windindustrie kein einziges konventionelles Kraftwerk ersetzt und daher – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Energiebetreiber – kein CO2 eingespart werden kann. Windkraft ist nicht grundlastfähig, weil es dafür bisher und auch in absehbarer Zukunft keine Speichermöglichkeiten gibt. Es geht für Entega letztlich nur darum, sich die Teilhabe an den finanziell lukrativen Subventionen über die nächsten 20 Jahre zu sichern.

Dafür scheinen alle Mittel recht zu sein. Für die BI ist klar, dass die Genehmigung am letzten Arbeitstag des Jahres 2016 nur auf politischen Druck der hessischen Landesregierung und massiven wirtschaftlichen Druck von Entega selbst zustande kam. So hat nach vorliegenden Informationen der BI, die Obere Naturschutzbehörde (ONB) zunächst eine Ablehnung des Windparks Stillfüssel aus artenschutzrechtlichen Gründen erwogen. Hinter den Kulissen ist dann eine fadenscheinige Kompromisslösung erarbeitet worden, die darin zum Ausdruck kommt, dass Entega von sich aus (!) den Antrag auf Rückstellung für ein Windrad stellt. Dieser Antrag wurde am 7. Dezember 2016 entsprechend eingereicht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bestand zwischen dem Regierungspräsidium (RP) und Entega also Einigkeit darüber wie das Ergebnis des Genehmigungsbescheids auszusehen hat. Entega wurde im Gegenzug ein „Monitoring“ des Schwarzstorches in den Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheids aufgelegt, um den Anschein auf die Wahrung artenschutzrechtlicher Belange aufrecht zu erhalten. Dass eine Beobachtung des Schwarzstorches während der Rodung und Bauphase von fünf Windrädern auf dem Stillfüssel nur wenig Sinn macht, wird dabei von der ONB und Entega billigend in Kauf genommen. Das Monitoring selbst wird nicht etwa durch ein neutral bestelltes Gutachterbüro vorgenommen, sondern durch einen von Entega beauftragten Gutachter durchgeführt. Dadurch wird der Bock endgültig zum Gärtner gemacht. Es ist zu erwarten, dass Entega als Auftraggeberin zum wiederholten Male genau das Gutachten erhält, für welches sie auch bezahlt.

Sollten die durchgeführten Windmessungen tatsächlich eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 6,4 m/s ergeben haben und damit laut Aussage von Wolff-Hertwig eine „hohe Wirtschaftlichkeit der Anlagen“ versprechen, so kann Entega jetzt ein positives Signal setzen und von sich aus auf die EEG-Zulage verzichten. Nur so kann der Bevölkerung glaubhaft vermittelt werden, Entega gehe es tatsächlich um einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz. Fakt ist, dass mehr als die Hälfte der deutschen Windkraftanlagen trotz hoher Subventionen über die EEG-Zulage nicht wirtschaftlich sind. Der eigene Glaube von Entega in die Wirtschaftlichkeit des Windparks Stillfüssel drückt sich in der Realität auch nicht sehr vielversprechend aus. Die wirtschaftlichen Risiken werden durch die Gründung der Entega Regenerativ GmbH, die als künftige Betreiberin des Windparks Stillfüssel auftritt, in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgelagert. Nur mit diesem Schachzug konnte beim RP ein Sofortvollzug der Baumaßnahmen durchgesetzt werden. Ohne Sofortvollzug sei laut RP die wirtschaftliche Existenz der Entega Regenativ GmbH einer Bedrohung ausgesetzt, da jegliche zeitliche Verzögerung der Inbetriebnahme eine Verringerung der Einspeisevergütung nach dem EEG mit sich brächte. Allerdings ist dies zugleich auch die Erklärung für die "Last-Minute-Genehmigung" am 30. Dezember 2016. Die Aussage von Wolff-Hertwig, alle Fakten wurden akribisch durch das RP geprüft, müssen vor diesem Hintergrund entschieden zurückgewiesen werden. Alleine in den letzten beiden Kalenderwochen des Jahres 2016 wurden seitens der BI über 50 kartierte Horste im Planungsgebiet eingereicht, die sämtlich ungeprüft blieben, weil das Ergebnis bereits festgestanden hat. Die Anordnung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wäre die einzig richtige Entscheidung gewesen. Leider hat das RP politischen und wirtschaftlichen Interessen Vorrang eingeräumt. Die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort wurden im bisherigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt durch eine neutrale Institution überprüft. 

In Bezug auf den zerstörten Greifvogelhorst, der eindeutig innerhalb der 1-km-Tabuzone der geplanten Windkraftstandorte liegt, werden seitens der BI die Ergebnisse der Ermittlungsbehörden abgewartet. Sollte es sich tatsächlich um einen Horst eines Uhus gehandelt haben, hätte dies auf jeden Fall den sofortigen Stopp des Projektes zur Folge gehabt. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine fahrlässige oder vorsätzliche Zerstörung gehandelt habe, wäre dies als ein handfester Skandal zu werten.

Die Aussage von Wolff-Hertwig, die Mehrheit der Menschen bekennt sich zur Energiewende mag richtig sein. Allerdings sprechen sich gleichzeitig in Umfragen 88% gegen die Errichtung von Windkraftanlagen in Wäldern aus. 15.441 Menschen (Stand 5. April 2017) votieren mit ihrer Unterschrift für den Erhalt der einzigartigen Natur im Eiterbachtal. Dieser mag, wie Wolff-Hertwig betont, durch den Beschluss der Gemeindevertretung aus dem Jahr 2011 zwar demokratisch legitimiert sein, allerdings hat der Zuschlag an Entega einen faden Beigeschmack, wenn zeitgleich der amtierende Bürgermeister von Wald-Michelbach den Vorsitz des Beirats der Entega AG inne hat.

Viele Gemeindevertreter bereuen nach unserer Einschätzung inzwischen ihre Zustimmung, vor allem deshalb, da sie bis heute (!) keinen Einblick in die Vertragsgestaltung zwischen Gemeinde und Entega nehmen konnten. Transparenz und Bürgerbeteiligung sieht anders aus. Die aktuelle Bürgermeisterwahl, die rund 75 Prozent an Zustimmung auf einen Kandidat vereinigte, zeigt zudem sehr deutlich auf, dass sich die Bürger in Wald-Michelbach einen anderen Politikstil in ihrer Gemeinde wünschen. Die bisherigen Altvorderen in der Gemeindevertretung mag Frau Wolff-Hertwig für das Windparkprojekt hinter sich wissen. Dies wird sich nach dem Abgang von Bürgermeister Kunkel sicherlich bald ändern.

Die Bürgerinitiativen werden weiterhin alle legitimen Mittel für den Erhalt eines windkraftfreien Odenwalds einsetzen. Wir distanzieren uns von Drohungen und Gewalt. Uns allen steht ein langer Weg, eine lange Reise durch die gerichtlichen Instanzen bevor. Auch wenn wir am Ende unser Wunschergebnis verfehlen sollten, können wir im Bewusstsein, alles für den Erhalt unserer Natur und Heimat unternommen zu haben, mit ruhigem Gewissen in den Spiegel schauen. Viele in der Gemeinde könnten dies nicht mehr. Abschließend an Frau Wolff-Hertwig gerichtet: Sich der Verantwortung stellen, bedeutet sehr viel mehr als sich nur nach den wirtschaftlichen Interessen des eigenen Unternehmens auszurichten. 

OZ vom 3. Mai 2017 Stellungnahme BI

Vortrag Prof. Dr. Fritz Vahrenholt "Deutschlands Energiewende - ein sich anbahnendes Desaster"

 

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